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Reisen 2

[Fortsetzung Reisen]

Auf irgendeinem Schild las ich zufällig “Salzkammergut”, unser Stichwort (siehe Kasten). Leider erfuhren wir, dass die Salzburger Festspiele vorbei waren. Dumm gelaufen! So blieben wir nur eine Nacht. Inzwischen hatte Susi ja auch die Lösung: München, stimmt's?” - “Mein Gott, jetzt hat sie's!”, rief ich,
Eliza Doolittle seli
gen Gedenkens,
begeistert aus. Wir hatten den 2. September und die Schlussfeier der Olympischen Spiele waren erst für den 11. September vorgesehen. In München ange-kommen, ging es am späten Nachmittag erst mal zum Stachus und Marienplatz, bevor wir uns am nächsten Tag zum Olympiagelände begaben. Ich war vom Zeltdach des Olympiastadions (siehe Foto B134) sofort begeistert. Es hatte etwas von der unerträglichen Leichtigkeit des Seins.
Am Schwarzhandel vorbei, gelang es meiner damaligen Freundin Susi und mir, als wir spontan München besuchten, für Montag, den 4. September 1972, je zwei Karten für Olympia-Veranstaltungen im Judo und Ringen regulär zu erwerben. Die Wettkämpfe wurden sehr professionell durchgeführt. Lustig war Susis Frage: “Ist das jetzt Judo oder Ringen?” Endlich hatte ich Gelegenheit sie aufzuklären - zumindest bezüglich des Unterschieds zwischen Bekleideten und Nackten. Apropos nackt: wir waren blank. Unser Geld war nach der Balkanreise alle. Die Heimat rief. So entschlossen wir uns an einem denkwürdigen Tag, dem 5. September, nach Freiburg zu fahren bzw. nach Umkirch, wo ich zu dieser Zeit wohnte. Die letzten 400 Kilometer: am Bodensee vorbei und durch den Hochschwarzwald. Zwar wäre es auf der Autobahn über Karlsruhe schneller gegangen, doch wir hatten keine Eile. Unterwegs, in einer Gaststätte irgendwo am Bodensee, dann der Fernseh-Nachrichten-Schock. Terroristen der Palästinensergruppe Schwarzer September waren in den frühen Morgenstunden über den Zaun des Olympischen Dorfes geklettert, hatten das israelische Mannschaftsquartier überfallen, zwei Sportler getötet und neun Geiseln genommen. Die größte Sportveranstaltung der Welt war über Nacht zu einem Nebenkriegsschauplatz des israelisch-palästinensischen Konflikts geworden. Was für ein Ende unserer Reise! 5300 Kilometer hatte mein Wagen mehr auf dem Tacho als 46 Tage, also knapp sieben Wochen, vorher.


Mehrmals noch war ich in den 1970-er Jahren im Balkan. Der reiselustige Leser wird sich fragen: Wo hat er bloß die ganzen Visa (siehe Abbildung) und Reisepassvermerke her? Richtig ist, wenn man einen neuen Reisepass benötigt, weil der alte nicht mehr verlängert wird oder vollgestempelt ist, muss man diesen abgeben. Ein dumme, bürokratische Regelung, die ich nie akzeptieren konnte. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als mir den alten Reisepass stehlen zu lassen und ihn als gestohlen zu melden. Das hat mit einer Ausnahme gut funktioniert: Der Reisepass mit dem US-Visum und den Karibik-Einträgen ist verschwunden, weiß der Teufel wohin. An manche Reise kann ich mich nur noch dunkel erinnern. Die Reisepassstempel belegen eine Reise im Mai 1970 über Österreich nach Jugoslawien (siehe Kapitel 12: Laibach-Fahrt) sowie für 1973 ein Visum für Ungarn, dessen Verwendung ich nicht mehr nachvollziehen kann. Vielleicht hängt es mit einem Flug nach Athen zusammen, das ich mit einem Kumpel erkundete. Die Lebensqualität in der griechischen Hauptstadt am Saronischen Golf war zwar damals schon durch Verkehrschaos und Sommersmog belastet, doch haben wir davon nicht allzu viel gespürt.
Uns interessierten vielmehr der Zeus-Tempel Olympieion und die Akropolis, Burgberg und antike Stadtfestung mit Tempelanlagen und Dionysostheater am Südhang sowie der
Plaka, ältestes Quartier Athens, am Fuß des Berges mit ihrem labyrinthischen Gewirr von Gassen, Tavernen, Restaurants und kleinen Geschäften. Ein zweiter Berg steht mitten in Athen: der Lykavittos. Erstaunlich die Ruhe, wenn man die Treppen hochsteigt, um einen phantastischen Panorama-Ausblick zu genießen. 43 Kilometer nordöstlich von Athen liegt der Ort Marathon, wo 490 v.u.Z. die Athener die Perser besiegten.
1975 war ich mit Bahn und Schiff allein in Jugoslawien. Mein Ziel im Süden Kroatiens hieß Dubrovnik, die “Perle der Adria”.
Die Stadtmauern von Dubrovnik sind 1940 Meter lang, bis zu sechs Meter breit und komplett begehbar. Sie sind das besterhaltene Fortifikationssystem in Europa und umfassen einen Komplex sakraler und säkularer Bauwerke aus allen Perioden der Stadtgeschichte, beginnend mit seiner Gründung im siebten Jahrhundert. Erwähnenswert sind der Fürsten-Palast, die Kathedrale, drei große Klöster, das Zoll- und das Rathaus.
Die eigentliche Attraktion allerdings fand jeden Abend statt und war umsonst: auf der “Stradun”, der Hauptpromenade in der autofreien Altstadt lustwandelten Einheimische und Touristen nach dem Motto: “Sehen und gesehen werden.” Zum Anmachen wie geschaffen! Tagsüber waren zum Entspannen die felsigen Küsten angesagt; einen Sandstrand sucht man in dieser Gegend vergebens. Das abendliche Schaulaufen findet man selbstverständlich in vielen mediterranen Touristenorten, aber nirgendwo sonst dominieren die Einheimischen so eindeutig. Nicht nur in Dubrovnik, auch in Mostar, der größten Stadt der Herzegowina, habe ich dieses gesellschaftliche Phänomen erlebt. Hier haben die hübschesten Frauen Jugoslawiens die Brücke über die Neretva, die heute die Stadt in einen kroatischen und einen bosniakischen Teil spaltet, als Laufsteg benutzt. Auf der Rückfahrt machte ich einen Abstecher zum mit 700 km² größten Polje, dem Gackapolje, in der Region Lika mit der Stadt Otočac.
Poljen sind wannenförmige Senken, deren fruchtbarer Lehmboden sie zu Oasen im entwaldeten Karstgebirge macht, die von Kasrstquellen mit Wasser versorgt und während der winterlichen Regenzeit teilweise überschwemmt werden.
Auch hier hatte ich einmal mehr den Eindruck: die Jugend begeht Landflucht, vielleicht auch nur, weil gerade Ferien waren. Eine weitere Zwischenstation war Marburg an der Drau, das slowenische Maribor. Und zwar womit? Mit Absicht!
Bei der Volkszählung von 1910 lebten hier 80% deutschsprachige Menschen. 1941 wurde der gesamte jugoslawische Teil der Steiermark vom großdeutschen Reich annektiert. Adolf Hitler besuchte die Stadt und forderte seine Anhänger in einer Rede vom Balkon des Rathauses auf, „dieses Land wieder deutsch zu machen”. Wie aus der Umgebung wurden auch aus der Stadt in der Folgezeit Slowenen nach Serbien sowie zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt mehrere Male bombardiert. Nach dem Krieg 1945 wurden die nicht zuvor geflohenen deutschen Marburger nach Österreich vertrieben.
Am Ufer der Drau kann der älteste Weinstock der Welt bewundert werden. Sein Alter wird auf über 400 Jahre geschätzt. Während ich so vor mich hin staunte, sprach mich Peter, ein Einheimischer, auf Deutsch an. Normalerweise stand er am Bahnhof und sprach Frauen an. Aber ich war ihm aufgefallen. Ich erzählte ihm meine Erlebnisse in den vergangenen Wochen. Darauf hin lud er mich ein bei ihm zu wohnen. So lernte ich drei Tage lang einige Slowenen kennen, von denen die meisten als Quasi-Fremdsprache nur serbokroatisch beherrschten. Peter dagegen hatte deutsche Vorfahren; das behautete er jedenfalls. Meiner Einladung nach Deutschland ist er nie nachgekommen.
1976 wollte ich ein paar Inseln im Ägäischen Meer kennenlernen. Über die bulgarische Zwischenstation Sofia landete ich in Athen. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung machte ich mich auf nach Piräus. Ich besorgte mir ein Schiffsticket zur nächstgelegenen Kykladeninsel, und kurze Zeit später befand ich mich “auf hoher See”. Auf Milos hätte ich aussteigen müssen. Doch daraus wurde nichts: ich war eingeschlafen. Auch an den Anlegestellen von Paros, Naxos und Mykonos bin ich stur und ohne gültigen Fahrschein auf dem Schiff geblieben. Erst als es abends “Endstation - alle aussteigen” hieß, gab es kein Zögern mehr: egal wie die Insel hieß, hier musste ich zumindest eine Nacht verbringen. “Hotel” und “Bett” waren furchtbar: zu klein, zu verschmutzt, zu heiß. Ich legte die Matratze auf den Boden und schlief doch noch ein. Am nächsten Morgen erfuhr ich: die Insel hieß Samos. Hörte sich gut an, vom Namen her. Also warum diese Insel nicht kennenlernen. Sie sollte sich als die grünste Insel herausstellen, die Griechenland zu bieten hat: kein Karst, keine Waldbrände, keine Hangabtragungen. Stattdessen wild wuchernde Wälder, Wiesen, Ölbäume, Zitrusplantagen, Tabakfelder, Weinberge. Wasserleitungen oder Bewässerungsgräben konnte ich auf den Feldern keine ausfindig machen, aber es gab überall Brunnen. Samos ist die einzige ägäische Insel mit Wasserüberschuss. “Schuld” ist ein 1400-er Gipfel, der als Regenfänger fungiert. Kaum war ich drei Tage auf der Insel, fing es - mitten im mediterranen Hochsommer- tatsächlich an zu regnen. Ein unglaublicher Vorfall! Ich befand mich gerade auf einem Wald- und Wiesenspaziergang. Plötzlich und unerwartet winkt eine Hand aus einer der kleinen, igluförmigen Hütten auf einem Acker. Eine Einladung, mich unterzustellen. Im Unterschlupf war es stockdunkel; erst nach einer gewissen Zeit gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit. Schemenhaft sah ich eine griechische Bauernfamilie, die nur griechisch sprach. Ich verstand rein gar nichts. So nach einer halben Stunde - es regnete immer noch - fing das eine Mädchen an, Englisch mit mir zu sprechen. Sie hätte sich nicht früher getraut, weil sie als Anfängerin nur “Broken English” spreche. Für mich hat's gereicht. Zwischendurch gab's ein Glas Wein, Fladenbrot, Feta und Oliven. Ich entschloss mich, auf andere Inseln zu verzichten und stattdessen einen Abstecher in die einen Kilometer entfernte Westtürkei zu machen. So lernte ich Izmir, die modernste und am stärksten verwestlichte Stadt der Türkei mit der längsten Theke, der Kordonboyu,
und Bursa mit seinen heißen Thermalquellen kennen. Nicht entgehen lassen wollte ich mir Troja, die alte Festung mit ihren Stadtmauern, und Pergamon mit Tempel und Theater. Von Istanbul aus fuhr ich dann mit der Bahn [“Orient-Express”] nach Hause.


Mit Abstand die meisten Visastempel haben mir die Grenzsoldaten der DDR in den Reisepass gedrückt. Gezählt habe ich 17 für den Zeitraum von 1971 bis 1979, v.a. von den Kontrollstellen Drewitz und Marienborn. Dabei herrscht das Jahr 1975 vor, als ich von Freiburg nach Berlin umgezogen bin. Ein- oder zweimal sind wir über die damalige Tschechoslowakei (CSSR) nach Berlin oder “in den Westen” - so hieß es immer, selbst wenn das Ziel Bayern war - gefahren. Bis 1972 war man der Willkür der grauen, mürrischen DDR-Grenzer ausgeliefert. Auf dem Weg nach Berlin wurde mein Wagen nachts einmal in eine Garage dirigiert und wie eine Weihnachtsgans auseinandergenommen. Ich dachte mir: solange sie uns nicht foltern ... Doch Evelyn, meine damalige Freundin, wurde blass und blässer, kreidebleich geradezu. Als wir nach zweieinhalb Stunden weiterfahren durften, öffnete sie ihren Kulturbeutel und zeigte mir ein Piece. Ein Piece - oh, mein Gott! Dieses Gramm Haschisch hätte uns beide in Teufels Küche bringen können. Solche Dummheiten hätte man wahrscheinlich mit Freiheitsentzug bezahlen müssen. Schwein gehabt! Ab Mitte 1972 galt das Transitabkommen. Man konnte - wenn man sich an die DDR-Verkehrsregeln hielt - unbehelligt durch die DDR fahren, die sich “deutsch” und “demokratisch” nannte, obwohl ihre bolschewistische Führung das eine gar nicht sein wollte und das andere in keiner Weise war. Die Westmark fürs Transitabkommen und den Freikauf politischer Gefangener nahm sie allerdings mit Handkuss.

Von Frankreich abgesehen, führten mich meine Reisen mit Abstand am häufigsten nach Süden, insbesondere Südeuropa. 1973 war ich reif für die Insel und fuhr daher mit Schahin und Susi per Bahn und Schiff nach Elba. In Capoliveri schlugen wir an einem der naturbelassenen Strände und Einbuchtungen unser Zelt auf. Herrlich!
1815 startete Napoleon v
on seinem 9-monatigen Exil auf Elba aus seine kurze Rückkehr in die Weltpolitik, die "Herrschaft der 100 Tage", die mit seiner endgültigen Verbannung nach St. Helena endete. Wär der Dussel bloß auf Elba geblieben!


Zweimal fuhr ich mit dem Auto nach Spanien. Das erste Mal mit Conny und Bruno nach Nordspanien, das zweite Mal mit Conny nach Andalusien. Von Freiburg aus gelangten wir 1974 als Trio über Besançon, Clermont-Ferrand und Toulouse über die Pyrenäen nach Pamplona. Wir wussten nicht, dass gerade die gefährlichste Unsitte Spaniens stattfand. Im Juli werden morgens Stiere von ihren Ställen durch die Altstadtgassen zur Stierkampfarena getrieben.
Beim Stierlauf gelten die Regeln: kein Stehenbleiben oder Rückwärtslaufen, keine Stöcke, Tücher oder Zeitungen zum Lenken der Stiere, keine Schwangeren, keine Kinder. Die Polizei versucht, diese Regeln durchzusetzen und offensichtlich alkoholisierte Teilnehmer zu entfernen. Trotzdem werden jedes Jahr Leichtsinnige verletzt oder getötet.
Wir waren auf dem Balkon unseres Hotels in Sicherheit, mussten aber mit ansehen, wie ein Bulle einen Spanier auf die Hörner genommen und verletzt hat, während die übrigen Verrückten von den Stieren davon rannten. Wir begaben uns mittags, als der Spuk vorbei war, lieber auf den Wochenmarkt.

Am nächsten Tag fuhren wir durch bis Galicien, ein bewaldetes Bergland mit maritimem Klima und fjordähnlichen Flussmündungen [“Rias”]. Der Landschaftsname erinnert daran, dass im Altertum hier Kelten [“Galläker”] siedelten. Wir rollten das Feld von hinten auf.
In Santiago de Compostela führt ein Pilgerweg, der “Jakobsweg” zur beeindruckenden Kathedrale. In der Küstenstadt La Coruña, die sich Ende des 16. Jahrhunderts erfolgreich gegen den englischen Flottenverband des Sir Francis Drake wehrte, steht einer der ältesten Leuchttürme der Welt, der Herkulesturm. In Asturien liegt Oviedo mit seiner spätgotischen Kathedrale. Der gesamte Altstadtkern wurde hier zur Fußgängerzone umgewandelt.
Gijón bleibt nichtspanischen Touristen hauptsächlich wegen seiner Aussprache mit zwei röchelnden “ch” in Erinnerung. In Santander, der Hauptstadt von Kantabrien am Golf von Biscaya, lagen wir tagsüber an einem absolut reinen, weißen Sandstrand, während wir abends das in ein Schloss integrierte Spielcasino besuchten. Während ich meinen Einsatz komplett verspielte, hat Conny den ihren verdreifacht und mich anschließend zu einem Glas Wein eingeladen. Wie großzügig! Ein Zentrum des Baskenlands ist San Sebastian. Die bewaffnete Untergrundorganisation ETA verfolgt seit 1959, nicht zuletzt mit Anschlägen, das Ziel, die Selbstbestimmung der baskischen Gebiete zu erreichen. Auch das berühmte französische See- und Heilbad Biarritz liegt im Baskenland.


Mit den lieb gewonnenen Appetithappen in den Bodegas, den Pinchos, war es jedoch vorbei. Allerdings nur bis zu dem folgenden Frühjahr, als Südspanien auf dem Programm stand. Am 14. April 1975 überquerten wir die französisch-spanische Grenze (siehe Abbildung). Von Berlin bis hierher hatten wir - über Straßburg und Lyon - bereits 1800 Kilometer zurückgelegt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich die französischen Alleestraßen entlang gebrettert bin. Im Jahr zuvor wäre das nicht möglich gewesen. Bei Geschwindigkeiten über 70 km/h hatte Bruno Herzrasen und Schweißausbrüche bekommen. Conny war da ganz anders. Sie liebte Risiko und Abenteuer. Einmal wäre es jedoch fast schief gegangen. Als ich mit Höchstgeschwindigkeit überholte, kamen die linken Räder auf die Grasnarbe und der Wagen ins Schlittern. Wären die Räder in den Graben gerutscht, hätten wir uns überschlagen. In Spanien ließen wir es gemütlicher angehen. Wir gondelten zunächst an der Mittelmeerküste entlang, wo wir uns da und dort nach dem Brunch an den Strand der Costa Blabla legten.

In der katalonische Hauptstadt Barcelona schlenderten wir auf der Rambla, einer breiten Allee, die vom Zentrum bis zum Hafen führt. An Vogelverkäufern, Akrobaten, Märkten und derm Trinkbrunnen Font de Canaletes vorbei, stößt man am Ende der Promenade, am alten Hafen, auf die Statue von Christoph Kolumbus. Das nahegelegene Museu Marítim erzählt die Geschichte der Seefahrt im Mittelmeerraum und stellt ein 1:1-Modell einer Galeere aus. Neben Seidenbörse, Kathedrale und Aquarium bietet Valencia dutzendweise Museen. Wir genehmigten uns abends Paella Valenciana mit Huhn, Kaninchen, grünen und Riesenbohnen, dazu ein Agua de Valencia.
In einer der trockensten und heißesten Regionen Europas liegt Murcia.


Die Halbwüste mit über 50° Celsius im Sommer wurde bereits von den muslimischen Mauren, die vom 8. bis 15. Jahrhundert in Südspanien herrschten, mit Hilfe des Río Segura, eines Fremdlingsfusses, in einen Fruchtgarten, die Huerta von Murcia, umgewandelt. Granada stand in seiner 2500-jährigen Geschichte unter der Herrschaft der Römer und Vandalen, von Byzanz, der Westgoten und Mauren sowie des Franco-Faschismus. Auf einem Hügel steht die maurische Stadtburg Alhambra mit Palästen, Zitadelle und Festungsmauern. Im benachbarten Sacromonte wohnen seit Jahrtausenden Zigeuner in komfortablen Höhlen, “cuevas” genannt. In Malaga, der andalusischen Stadt der Weinsorte Muskateller, finden im August die “Feria de Agosto”, ein Volksfest mit Stierkampf und kostenlosen Konzerten statt.

Da hätten wir lange warten können! Stattdessen machten wir uns auf die Socken nach Jerez de la Frontera, wo wir in einer Bodega bei einer Weinprobe verschiedene Sherrysorten kosteten. Dazu aßen wir Tapas, köstliche Appetithäppchen mit Zamorano-Käse, Serrano-Schinken und Gambas mit Knoblauch. Nach einigen Gläschen fuhr eine Stretchlimousine vor, die Kellertür ging auf und herein kam - na - Moses, Ben Hur, El Cid und Michelangelo in einer Person! Irre: uns gegenüber nahm Charlton Heston mit Gefolge Platz. “Ich glaub' mein Schwein pfeift, dachte ich, flüstertete aber nur: “Porco mio”. Doch Conny verbesserte mich lautstark: “Porco Dio" ['Schweinegott']. Er lächelte zu uns herüber und grüßte uns, verstanden hat er sie wohl nicht. Wahrscheinlich waren ihm nur meine Sandalen aufgefallen. Doch der strafende Blick eines Bediensteten sagte mir: “Zeit zu zahlen.” Gut gelaunt und beschwipst fuhren wir weiter, ins Landesinnere.

In Sevilla am Guadalquivir überall Flamenco mit andalusischer Kadenz: aus dem Radio, aus Fernsehgeräten und aus den Kehlen und Gitarren von in Restaurants spielenden, professionellen Zigeunergruppen. Auch in Córdoba mit seinen blumengeschmückten Innenhöfen, den “patios” fand gerade ein großes Mai-Fest statt, die Feria de Mayo. Wie für uns bestellt!
100 m über den tief in die Südmeseta eingeschnittenen Mändern des Tejo liegt Toledo, die mittelalterliche Hauptstadt Spaniens, mit ihrer Festung Alcázar. Die 60 km nördlich auf einem Hochplateau Kastiliens gelegene heutige Hauptstadt Madrid hat ebenfalls großartige Bauwerke aufzuweisen: die Almudena Kathedrale, der Templo de Debod, das
Madrider Stadtschloss Palacio Real, die Stierkampfarena Las Ventas.
Mittenmang, in der Parkanlage del Buen Retiro mit ihrem künstlichen See, entspannen sich die Madrilenen während der Siesta. Total entspannt zogen wir weiter.
Bis nach Saragossa, am Mittellauf des Ebro, hatte sich vom 8. bis 12. Jahrhundert das Kalifat von Córdoba ausgedehnt. Noch heute hat das Regionalparlaments von
Aragonien seinen Sitz im maurischen
Aljafería-Palast.
Am nächsten Tag wollten wir Spanien verlassen und über Paris in die Pfalz.


Dazu mussten wir über die Pyrenäen. Auf dem Wappen des Zwergstaats Andorra lasen wir die Inschrift: “Virtus Unita Fortior”: vereinigte Tapferkeit ist stärker. In Carcassonne besuchten wir ein einziges Mal einen echten Stierkampf. Auf dem Weg zur Arena sangen wir noch wohlgemut das Torerolied des Escamillo aus Bizets Oper Carmen (oder war es doch von Heino?): “Auf in den Kampf, Tore-he-he-he-ro, stolz in der Brust, siegesbewusst”. Allzu weit kamen wir aber nicht damit. Hätte es damals schon “Take me to the matador” gegeben, wären wir froh gewesen. Es fiel uns verdammt schwer, das Blutbad mit anzusehen. Meistens beobachteten wir als Übersprunghandlung die anderen, belustigten Zuschauer. Als ich Idiot doch einmal nach unten sah, passierte es: mit heroischer Ausholbewegung versetzte der Matador dem völlig entkräfteten Stier den tiefen Todesstoß in den Nacken. Widerlich!

Toulouse, die mittelalterliche Hauptstadt Okzitaniens, wird wegen ihrer Gebäude aus roten Ziegelsteinen auch “Pink-City” genannt, obwohl sie im anglismenfeindlichen Frankreich liegt. Westlich des Zentralmassivs fuhren wir durch Limoges. Auf der Brücke Saint Martial, 500 Kilometer von Avignon am Unterlauf der Rhône entfernt, sangen wir: “Les beaux messieurs, les belles dames, les officiers, les petits bébés, les bons amis et les gamins font comme ça, et puis encore comme ça” [Refrain siehe Abbildung].
Als Schmiermittel verwendeten wir ein mit Anis und Fenchel gewürztes Weindestillat, genannt Pernod. Angeheitert erreichten wir Orleans. Ich wollte endlich einmal die Jungfrau meiner Träume finden, doch das verhinderte Conny. Vielleicht war sie sowieso nur eine Erfindung von Schiller. “Gab es nicht auch noch Jeanne d'Arc?”, fragte ich Conny auf dem Weg nach Paris.


Während des Hundertjährigen Krieges führte sie die Franzosen gegen die Engländer. Durch Verrat wurde sie von den Burgundern gefangen genommen und an die mit ihnen verbündeten Engländer verkauft. Ein Kirchenprozess sollte sie diskreditieren. Unter dem Vorsitz des Bischofs von Beauvais wurde sie wegen Verstoßes gegen die Kirchengesetze verurteilt und auf dem Marktplatz von Rouen auf einem Scheiterhaufen verbrannt.
Während ich über die mittelalterlichen Hexenverbrennungen sinnierte und mich in eine Hasstirade gegen die katholische Kirche hineinsteigerte, erreichten wir die französische Hauptstadt. Es war schon dunkel, und nachdem wir noch eine preiswerte Unterkunft gefunden hatten, lustwandelten wir an der Seine entlang. Nachdem wir am nächsten Morgen beim Shopping und Volltanking unser letztes Geld verbraten hatten, näherten wir uns der Heimat. Reims, Metz und Saarbrücken waren keine echten Hindernisse, und nach vier Wochen und 5700 Kilometern waren wir in Edenkoben.


Schwer angesagt waren im vergangenen Jahrhundert die Baleareninseln Ibiza und Mallorca - allerdings in unterschiedlichen Kreisen. Nach den Hippies um 1970 herum, zog es 10 Jahre später die etwas Betuchteren nach Ibiza. Dafür benötigte man mehrere Koffer mit Klamotten. Denn nach dem Hautkrebstest am Sandstrand während der ausgedehnten Siesta, ging man auf sein Appartment, um sich in einer stundenlangen Prozedur auf das nächtliche Schaulaufen vorzubereiten. Dazu begab man sich abends im gleichnamigen Hauptort zunächst zu einem zentralen Treffpunkt zum Sehen und Gesehenwerden. Wenn man mehr sehen und gesehen werden wollte, musste man in die Megadiscos, die zum Teil für Tausende von Partyhungrigen Platz boten. Pacha, Ku und Amnesia waren damals die großen Renner. Hier konnte man die Nacht zum Tage machen. Schlafenszeit war erst am frühen Morgen. So hatte jeder Tag, egal wie er hieß, seinen festen, unabänderlichen Rhythmus. Um den selbigen nicht zu verlieren, flog ich zwei Jahre später, 1984, ein zweites Mal - mit Tatjana - nach Ibiza und 1987 - mit Klaus - nach Mallorca. In Palma mieteten wir uns einen Jeep und fuhren, entgegen dem Uhrzeigersinn, an der Küste entlang. An den Sangria-Plastikeimern vom Ballermann 6 bis 60000 vorbei, erreichten wir bald die Ostküste.

Hier reihen sich wie an einer Perlenkette viele kleine Naturhäfen und Sandstrände an der sonst felsigen Küste aneinander. An der Nähe befinden sich auch die drei Naturhöhlen Coves del Drac, Coves dels Hams und Coves d'Artà.
Wir wollten einen großen Strand, ein preiswertes, ruhiges Appartement und ein paar Discotheken nicht allzu weit entfernt. Und tatsächlich: das fanden wir in Cala Millor und Cala Rajada. Wir hatten sogar die Qual der Wahl. Obwohl die Strände gut gefüllt waren - ich erinnere mich an eine kilometerweite Strandwanderung -, waren die Ortschaften selbst fast entvölkert, was ja im Grunde genommen auch kein Widerspruch ist. Das größte Problem für mich war, mir morgens die Zähne zu putzen, da Klaus das Badezimmer stundenlang belegt hatte. Nicht zum Duschen! Nein, er musste sorgfältig seine verbliebenen Kopfhaare mit der täglichen Dosis bzw. Dose Haarspray so zu einer Betonfrisur aufbauen, dass sie zirka 16 Stunden hielt. Hinzu kam die Rasur der Achsel-, Bart- und Schamhaare. So etwas braucht seine Zeit. Wenn er fertig war, musste das Badezimmer allerdings noch eine Stunde lang gelüftet werden, so dass ich es nach ein paar Tagen vorzog, morgens erst einmal frühstücken zu gehen. Abends lief er dann zu großer Form auf. Die Aufgabe lautete, in Discotheken, die Eintritt verlangen, umsonst hineinzukommen. Aufgrund seines umfangreichen Repertoires an Sprüchen, Ablenkungs- und Täuschungsmanövern gelang ihm als routiniertem Akquisiteur dieses Kunststück immer wieder. Das war absolut beeindruckend. So konnte ich mich auf den unter der Woche ziemlich leeren Tanzflächen austoben und er die Bräute anmachen. Dieses
"Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegenseitigem Nutzen" [Duden-Definition einer Symbiose] funktionierte also prächtig: ich war morgens am Strand, mittags im Badezimmer und nachmittags mit dem Jeep unterwegs, Klaus morgens im Badezimmer, mittags beim Frühstück und nachmittags am Strand. Abends trafen wir uns in einem Restaurant und fuhren zusammen in die Disco. Für die Zeit von Mitternacht bis zum Aufstehen habe ich leider ein robustes Blackout, und Klaus kann ich bedauerlicherweise nicht mehr fragen. Mitte 2007 ist er von uns gegangen - auf Nimmerwiedersehen. In den Jahren 1995 und 1997 hieß mein Ferienziel Hammamed in Tunesien.


Den Mittelpunkt des modernen Hammamet bildet die auf der Nordseite der Medina gelegene Place des Martyrs mit einem dem Eiffelturm nachempfundenen Denkmal, das an die „Märtyrer“ des tunesischen Unabhängigkeitskrieges erinnern soll. Der Kern von Hammamet bildet jedoch die ummauerte Medina an der Spitze einer Halbinsel mit der Kasbah und der Großen Moschee Zwischen dem Haupttor und der Festung befinden sich die Souks, teils überdachte Marktgassen, die vollständig vom Souvenirhandel beherrscht werden.
Abends fanden kleinere Veranstaltungen (siehe Abbildung) im Hotel statt, wozu es in einem islamischen Land, außer essen gehen, keine Alternative gab. Damit man bei den hohen Temperaturen gegen Mitternacht einschlafen konnte, war es wichtig, tagsüber Sport zu treiben. Ich nutzte am intensivsten die im Preis inbegriffenen Tennisplätze. Es genügte, sich rechtzeitig in aushängende Listen einzutragen. Wenn die Plätze besetzt waren, konnte man sich an einem kilometerlangen, weißen Sandstrand überlegen, ob man mit dem kühlen Meerwasser Bekanntschaft machen wollte.
Ganzjährig günstige Witterungsbedingungen versprachen die Kanarischen Inseln. Mehrere Flüge brachten mich auf alle größeren Inseln, die vulkanischen Ursprungs sind. In den Rossbreiten gelegen, zeichnen sie sich durch Trockenheit, Hitze und Windstille aus. Gesprochen wird ein spanischer Dialekt mit verschluckten Buchstaben - vorzugsweise fehlt das “s”. Von 1983 bis 1986 war ich zum Teil als einzelkämpfender Weltenbummler auf den Inseln, zum Teil hatte ich Flug, Hotel und Halbpension gebucht. Meine Lieblingsbeschäftigungen waren Am-Strand-Liegen, Faulenzen und Isle-Hopping, also das “Springen” mit der Fähre von einer Insel zur anderen.

Im Zentrum der größten Insel, Teneriffa, ragt mit über 3700 m der höchste Berg Spaniens in den blauen Himmel, der Pico del Teide. In Gran Canaria wird Deutsch gesprochen. Dazu muss man aber von Las Palmas aus im Uhrzeigersinn an der Küste entlang fahren, bis die entsprechenden Namensschilder auftauchen. Canaria leitet sich übrigens nicht von Cannabis ab, auch wenn das damals viele geglaubt haben, sondern von “canis”, weil die Insel mit Hunden bevölkert war. Fuerteventura besteht zum Teil aus eigenem, zum Teil aus Saharasand, der an der Ostküste endlose Stände bildet und im Nordosten sich zu Wanderdünen geformt hat. Auf der Vulkanasche von Lanzarote wird Wein angebaut. Die meterdicke dunkle Lapillischicht heizt sich tagsüber auf und saugt nachts Feuchtigkeit aus der Luft auf. So wird Wasser gespeichert, obwohl es hier nur sehr selten regnet. Die Wurzeln der angebauten Weinreben dringen bis in den darunter liegenden fruchtbaren Boden. Zu den Besonderheiten La Gomeras gehört die weltweit nur hier existierende Pfeifsprache der Gomeros, El Silbo, mit der von Berg zu Berg kommuniziert werden kann. Im bekanntesten Tal der Insel, dem Valle Gran Rey (Tal des großen Königs), gab es Kommunen von Althippies, die zum Teil in den Höhlen der sogenannten Schweinebucht wohnten.

 
   
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